Was ist emotionale Freiheit eigentlich, und wozu brauchen wir sie? Emotionen können manchmal so überwältigend sein, dass wir sie kaum ertragen können. Gerade die als negativ bewerteten Gefühle wie Wut, Hass, Angst, Trauer oder Eifersucht nehmen uns oft die Luft zum Atmen.
Kennst du das auch, dass du manchmal am liebsten vor dir selbst und dem Schmerz davonlaufen möchtest?
Dabei sind Emotionen in Wahrheit das Tor zu einem tiefen Verständnis unseres Menschseins, und somit ein wichtiges Instrument der Heilung und des Erwachens.
Emotionale Freiheit zu erlangen ist nur eine Frage der Übung. Mit dem W.E.I.N.-Protokoll gebe ich dir gern mein bewährtes Werkzeug an die Hand, mit dem du in Zukunft belastende Emotionen annehmen und integrieren kannst.
Inhalt
Wie entstehen Emotionen eigentlich, und was ist der Unterschied zwischen Emotionen und Gefühlen?
– Wie unsere Gedanken unsere Gefühle beeinflussen
– Gefühle und ihre Auslöser
Was bedeutet emotionale Freiheit?
– Wie geraten wir in „emotionale Unfreiheit“?
– Überwältigung, Ablenkung und Sucht als vertraute Strategien der Bewältigung
– Warum ist emotionale Freiheit so wichtig?
Warum es keine negativen Emotionen gibt
– Wut, Trauer und Scham – kleine Beispiele für das Geschenk hinter „negativen“ Gefühlen
W.E.I.N.-Protokoll: 4 Schritte, um emotionale Freiheit zu erlangen
Wie entstehen Emotionen eigentlich, und was ist der Unterschied zwischen Emotionen und Gefühlen?
Im Alltag gebrauchen wir die Wörter „Gefühl“ und „Emotion“ gleichbedeutend. Das ist auch völlig in Ordnung, denn es macht uns sicher nicht freier, wenn wir eine komplizierte Wissenschaft aus unserem Seelenzustand machen.
Aber dennoch ist es ganz interessant zu wissen, dass eine Emotion eher eine unwillkürliche Körperreaktion bezeichnet, die uns einfach so „überfällt“, während ein Gefühl mehr oder weniger „selbstgewählt“ ist.
Das Wort Emotion kommt aus dem lateinischen „emovere“ was so viel wie „herausbewegen“ bedeutet. Man versteht darunter eine körper-seelische Bewegtheit, die durch die Wahrnehmung eines Ereignisses oder einer Situation unmittelbar hervorgerufen wird.
Die Emotion ist also eher eine unbewusste Reaktion, die dann zu einem bewusst empfundenen und nach außen sichtbaren Gefühl wird.
Die Emotion ist nicht steuerbar. Sie erfolgt unmittelbar als körperliche Reaktion auf einen äußeren Reiz. Indem das Gehirn diese unbewusste Reaktion verarbeitet, stellt sich ein Gefühl ein.
Manchmal wird die „E-motion“ auch als Energie (physikalisch „E“) in Bewegung (lat. „motio“) definiert, was ich sehr schön finde, wenn man bedenkt, was für eine Kaskade an Neurotransmittern und Hormonen durch Reize im Außen ausgeschüttet wird, die uns körperlich und seelisch „in Wallung“ bringen.
Weil Emotionen Energie in Bewegung sind, ist es auch wichtig, dass wir unseren Körper auf eine sanfte und natürliche Art bewegen lassen! Ein Zittern, befreiendes Lachen, Seufzen oder Weinen, ist eine gesunde Reaktion, um eine Emotion wieder aus dem Körper zu entlassen.
Daher mein kleiner Instant-Tipp für emotionale Freiheit: Wenn es dir schwerfällt oder es in einer Situation unmöglich ist, die Emotion unmittelbar auszudrücken, dann nimm dir am Abend ein paar Minuten Zeit zum Tanzen, Hüpfen und Schütteln, für einen „strammen“ Waldspaziergang, oder lautes Tönen.
Gerade nach einem Tag, der dich psychisch gestresst hat, ist das wichtig, um die gesamte Muskulatur zu entspannen, alle gestauten Energien in Fluss zu bringen und innerlich wieder frei zu werden.
Wie unsere Gedanken unsere Gefühle beeinflussen
Gefühle entstehen also nicht einfach so aufgrund eines äußeren Auslösers. Entscheidend ist immer unsere Interpretation der Ereignisse, also wie wir über eine Situation denken. Hier ein Beispiel, wie ein und dieselbe Begebenheit je nach Interpretation der Person unterschiedliche Gefühle hervorrufen kann:
Person A: Der Vortragsraum ist voll besetzt, und Person A wird angekündigt, ihre Rede zu halten (Reiz) – Person A verspürt Herzklopfen, und die Hände werden feucht (Emotionale Reaktion) – Person A denkt: „Oh Gott, hoffentlich stellt mir niemand eine blöde Frage“, „Beim letzten Mal hatte ich mitten in der Präsentation einen Blackout“, „Der Chef wartet doch nur auf einen Fehler von mir“, „Hilfe, ich hab alles vergessen“, „Ich habe Angst“ (Gedanken) – Person A ist erfüllt von Angst und Panik (Gefühl)
Person B: Der Vortragsraum ist voll besetzt, und Person B wird angekündigt, ihre Rede zu halten (Reiz) – Person B verspürt Herzklopfen, und die Hände werden feucht (Emotionale Reaktion) – Person B denkt: „Wow, wie aufregend. Auf diesen Moment habe ich lange hingearbeitet“, „Das ist meine Chance, dem Vorstand zu zeigen, was ich kann, und mich für eine Beförderung zu empfehlen“, „Ich bin top vorbereitet, und freue mich“, „Jetzt gilt es“ (Gedanken) – Person B empfindet positive Aufregung, Fokussierung und Motivation – vielleicht sogar Freude (Gefühl)
Wenn wir uns diesen Zusammenhang bewusst machen, erkennen wir, wie groß unser Einfluss auf unsere emotionale Freiheit und unseren Gefühlsausdruck ist. Wenn wir lernen, unsere emotionalen Körperreaktionen so zu interpretieren, dass sie uns ermutigen und Kraft geben, fühlen wir uns sofort befreiter. Und es fällt uns leichter, unsere Realität gemäß unserer Vorstellung zu gestalten.
Zur positiven Umdeutung von Körperreaktionen erfährst du noch mehr in meinem Artikel über Selbstwirksamkeit.
Gefühle und Auslöser
Im oben genannten Beispiel geht es um Angst – genauer gesagt um Erwartungs- oder Versagensangst. Aber wie ist das mit Trauer beim Verlust eines Menschen? Oder Wut angesichts der Ungerechtigkeiten in der Welt? Oder mit dem Gefühl von Minderwertigkeit, wenn mein Partner mich betrügt?
Es ist immer dasselbe. Es gibt eine auslösende Situation, und entsprechende Interpretationen und Gefühle als Antwort.
Der Fehler, den wir häufig begehen ist, dass wir uns wie ein tollwütiger Hund am Auslöser festbeißen, statt ins Fühlen zu gehen. Wir geben alle Schuld – und damit letztlich alle Macht – nach außen ab, und verpassen dadurch eine große Chance zur Heilung.
Wir verlieren uns im Analysieren, Interpretieren und Lamentieren – und das Herz als Zentrum unserer inneren Weisheit bleibt verschlossen.
Was bedeutet emotionale Freiheit?
Emotionale Freiheit bedeutet, dass wir uns nicht mehr so sehr abhängig machen von dem, was im Außen geschieht. Wir sind in unserer Mitte, egal was die Kollegin gesagt hat, egal, wie mies der Partner gerade drauf ist, oder wie rücksichtslos sich die Verkehrsteilnehmer um uns herum benehmen…
Und bitte mach dir jetzt keinen Druck oder kein schlechtes Gewissen, wenn das nicht gleich perfekt funktioniert!
Was sich so schnell dahin sagt, ist ein lebenslanger Lernprozess. Aber du wirst sehen, dass es dir mit zunehmender Bewusstheit über deine Gefühle immer leichter fallen wird, bei dir zu bleiben. Oder zumindest schneller wieder in deine Mitte zu finden.
Die wirklich wichtigen Dinge des Lebens lernen wir nicht in der Schule. Niemandem von uns wurde beigebracht, wie wir mit Frust, Ängsten, Wut oder Neid konstruktiv umgehen können. Wenn es um Gefühle geht, sind wir oft total überfordert.
Aber wie kommt es eigentlich, dass Gefühle zu solch einer Belastung werden?
Wie geraten wir in „emotionale Unfreiheit“?
Emotionale Unfreiheit hat ihren Ursprung immer in unseren Gedanken und den Geschichten, die wir uns erzählen. Diese werden geformt von tief verinnerlichten Glaubenssätzen und Überzeugungen über uns und die Welt.
Wir haben Angst davor, uns wahrhaftig und verletzlich zu zeigen, und unsere tiefsten Ängste, unseren Schmerz und unsere Bedürfnisse zu offenbaren. Daher verbergen wir uns lieber hinter einer Maske der Unnahbarkeit, oder suchen im außen nach Schuldigen für unseren Zustand.
Lies dazu auch gern meinen Artikel, wie du alte Überzeugungen und dein inneres Kind heilen kannst.
Wenn wir emotionale Freiheit suchen, dürfen wir keine Angst davor haben, uns selbst zu begegnen! Aber wenn wir das mit der gebotenen Zartheit tun, dann werden wir einen großen Schatz in unserem Innersten finden!
Überwältigung, Ablenkung und Sucht als vertraute Strategien der Bewältigung
Aus meiner Beobachtung heraus gibt es zwei Möglichkeiten, wie wir in unserer Hilflosigkeit mit Gefühlen umgehen:
- Wir lassen uns komplett überwältigen und bleiben in der Emotion stecken
- Wir verdrängen das Gefühl und kompensieren durch Ablenkung und Suchtverhalten
Auf diese beiden möglichen Reaktionen sind wir unser ganzes Leben lang konditioniert. Wir machen es automatisch einfach so, weil wir keine andere Art gelernt haben, mit Emotionen umzugehen.
Wenn wir in der Emotion stecken bleiben, bleibt unser tieferes Bedürfnis hinter der Wut, der Trauer oder der Angst unentdeckt, und wir verpassen eine Chance, innerlich zu heilen und zu wachsen. Wir lassen uns ins Drama fallen, und erzählen uns immer wieder dieselben falschen Geschichten.
Dann kreieren wir Ohnmacht und ein Opferbewusstsein. Hinzu kommt, dass wir uns für unsere Gefühle ganz oft selbst verurteilen. Das schafft noch mehr „negative Energie“, und der Teufelskreis dreht sich munter weiter…
Wenn wir dagegen Gefühle verdrängen, steigt der innere Druck immer mehr an, und wir suchen Ablenkung und Entladung: Fernsehen, Essen, Sport, Pornografie, Alkohol, Zigaretten, Arbeit, Einkaufen, Flucht in Fantasiewelten…. – unser Geist ist sehr erfinderisch, wenn es darum geht, uns nur nicht unseren Gefühlen, und damit unserer Verletzlichkeit, stellen zu müssen.
Aber: Alles was wir tun, um vor unserem inneren Zustand zu flüchten, bringt uns tiefer ins Leid und in die Einsamkeit!
Letztlich können auch Krankheiten auf dem Boden von krampfhaft festgehaltenen oder verdrängten Emotionen gedeihen. Daher sollten wir es nicht versäumen, auch bei allen körperlichen Symptomen mutig einen Blick in die Tiefe unserer Gefühlswelt zu wagen.
Warum ist emotionale Freiheit so wichtig?
Wenn wir wirklich glücklich sein wollen, dürfen wir lernen, mit dem Leben zu schwingen. Im spirituellen Kontext hören wir häufig die Aufforderung, „ganz im Hier und Jetzt zu sein“. Was bedeutet das eigentlich?
Für mich heißt das, mit dem Fluss des Lebens zu fließen und mich ganz der Erfahrung des jetzigen Augenblicks zu öffnen – ohne Wertung, ohne Widerstand und ohne Anhaftung. Hört sich banal an, bedarf aber kontinuierlicher Übung und innerer Bereitschaft. Unseren Gefühlen kommt dabei eine besondere Bedeutung zu.
Wir tun uns unglaublich schwer damit, Erfahrungen einfach anzunehmen ohne sie zu kommentieren und in „gut“ oder „schlecht“, „erwünscht“ oder „unerwünscht“ zu klassifizieren. Was wir nicht haben wollen, fühlt sich auch nicht gut an. Wir empfinden Enttäuschung, Wut, Trauer, Eifersucht, Minderwertigkeit, Scham, Schuld oder Ekel.
Erfahrungen, die uns dagegen willkommen sind, fühlen sich angenehm an. Wir baden in Freude, Liebe, Leichtigkeit, Freiheit, Lust oder Geborgenheit.
Das führt dazu, dass wir am Angenehmen krampfhaft festhalten oder gierig dem Prinzip „immer noch höher, schneller, weiter, mehr“ folgen, und gegen das Unerwünschte in Widerstand gehen.
Widerstand und Anhaftung machen uns unfrei und verhindern, dass wir mit uns und dem Leben in echten Kontakt kommen. Wir verlieren uns und werden zum Opfer der äußeren Umstände.
Emotionale Freiheit bedeutet, allen Gefühlen (und den Gedanken dahinter) Raum zu geben, den erwünschten wie den unerwünschten. Und damit uns selbst und dem Leben auf eine echte, lebendige Art zu begegnen. Uns bewegen und berühren zu lassen.
Nur wenn ALLE Gefühle da sein dürfen, ohne dass wir uns dafür verurteilen, sind wir frei, aus dem Herzen zu leben und unser authentisches Menschsein zu entfalten. Dann sind wir ganz. Dann sind wir nicht mehr Opfer, sondern Meister unseres Lebens!
Warum es keine negativen Emotionen gibt
Bestimmte Gefühle möchten wir am liebsten einfach „ausradieren“ und „weghaben“. Wie oft höre ich diesen verzweifelten Satz in der Praxis: „Ich bin so geladen, ich will nur noch, dass diese Wut endlich verschwindet“, oder „Ich kann nicht mehr. Diese Angst kotzt mich an. Es soll endlich aufhören.“
Ich kann diese innere Not so gut verstehen. Aber alles, was wir wegschieben, sucht sich auf irgend einem anderen Weg seinen Ausdruck. Heilung geht meines Erachtens nach immer mit Bewusstwerdung und Annahme einher.
Je stärker wir gegen etwas ankämpfen, umso mehr Macht geben wir ihm. In dem Moment, in dem wir das scheinbar Unerträgliche aber annehmen und willkommen heißen, lösen sich Druck und Spannung.
Kennst du die Geschichte vom kleinen Prinzen? Wie er sich mit dem Fuchs „vertraut macht“ und Freundschaft schließt?
Solange wir vor unserer Verletzlichkeit davon laufen und uns vor unseren innersten Ängsten und Bedürfnissen verschließen, sind wir in Feindschaft mit uns selbst. In dem Moment aber, wo wir uns mit uns selbst vertraut machen, beginnt die Geschichte der Selbstliebe, der Verantwortung und des wahren Erwachens.
Wir lernen, uns selbst eine gute Freundin oder Freund zu sein – mit allem, was Freundschaft einschließt: Liebe, Verantwortung, Mitgefühl und aufrichtiges Interesse.
Genau das ist die Lösung: Mitgefühl mit sich selbst und den bohrenden Gefühlen üben. Sich selbst einen sicheren Raum geben und sich halten im Schmerz. Widerstand und Kampf aufgeben. Und das Herz öffnen für das gesamte Spektrum an menschlichen Gefühlen.
Emotionale Freiheit ist ein Synonym für Mitgefühl mit uns selbst und unserem Sosein.
Angst, Wut, Trauer oder Scham fühlen sich allesamt schwer an. Wir möchten sie nicht gern fühlen. Wir wollen nicht ängstlich, traurig, schüchtern, aggressiv oder eifersüchtig sein. Das passt nicht ins Bild einer selbstbewussten Businessfrau, einer lieben Mama, oder eines coolen Typen.
Doch da wo das größte Unbehagen ist, warten auch die größten Geschenke!
Wut, Trauer und Scham – kleine Beispiele für das Geschenk hinter „negativen“ Gefühlen
Gerade die vermeintlich „negativen“ Emotionen bergen riesige Schätze in sich. Wir sollten sie nicht bekämpfen, sondern nach der liebevollen Botschaft dahinter forschen!
So ermutigt uns die Wut zum Beispiel, entschiedener für uns selbst einzustehen und Grenzen zu setzen. Zudem hilft sie uns, die Kraft zur Veränderung einer belastenden Situation aufzubringen, oder uns aktiv für Gerechtigkeit und unsere Werte einzusetzen.
Die Trauer lehrt uns, übermäßige Kontrolle loszulassen und zu akzeptieren, dass Abschied, Tod und Verlust zum Dasein dazugehören. Und sie macht uns unsere eigene und die Endlichkeit unserer Lieben bewusst, und lässt uns erkennen, was im Leben wirklich wichtig ist.
Auch die Scham trägt ein Geschenk in sich. Sie drängt uns so lange in die Unsichtbarkeit und ins Verstecken, bis irgendwann – um mit den wundervollen Worten der Schriftstellerin Anais Nin zu sprechen – „das Risiko, in der Knospe zu verharren, schmerzlicher (…) (wird), als das Risiko zu erblühen.“
Es gibt keine negativen Emotionen. „Negativ“ im Sinne von zerstörerisch werden sie erst dann, wenn wir sie immer und immer wieder verdrängen, und sie dann in den unmöglichsten Momenten mit dem Druck eines kochenden Dampfkessels an die Oberfläche sprudeln.
W.E.I.N.-Protokoll: 4 Schritte, um emotionale Freiheit zu erlangen
„WEIN“ ist ein Akronym und bezeichnet meine 4 Schritte-Formel der emotionalen Freiheit. Es ist eine einfache Methode, die auf Achtsamkeit, meditativer Selbsterforschung und buddhistischer Psychotherapie beruht. Die einzelnen Buchstaben stehen für:
W = Wahrnehmen
E = Erforschen
I = Integrieren
N = Neu ausrichten
Du kannst diese 4 Schritte immer anwenden, wenn ein Gefühl dich zu überwältigen droht. Aber auch bei „chronischen“ emotionalen Zuständen und in Situationen, die dich überfordern.
Ganz wichtig: Die Haltung, in der wir das W.E.I.N.-Protokoll durchlaufen, ist immer getragen von Mitgefühl und Herzenswärme.
Wir wollen die Emotion nicht so schnell wie möglich wegmachen, sondern sie im Gegenteil einladen und bewusst annehmen.
1. Wahrnehmen
Wir lassen uns in die Situation hineinfallen und nehmen alles wahr, was gerade ist – alle Gefühle, Körperempfindungen, Gedanken, Erinnerungen, etc. Bitte mach das unbedingt immer OHNE zu werten und zu urteilen! Egal, wie unangenehm es sich anfühlt, wir erlauben dem Leben, dass es jetzt einfach so sein darf.
Statt uns wie gewöhnlich abzulenken oder in Aktionismus zu verfallen, bleiben wir einfach achtsam und präsent in der Wahrnehmung des gegenwärtigen Moments.
Trau dich, die Emotion mit jeder Faser deines Seins zu fühlen und da sein zu lassen. Sie wird dich nicht verschlingen und umbringen. Sie ist da, um dich ganz zu machen. Sie will einfach nur gesehen und gefühlt werden.
Sehr hilfreich ist es, wenn wir immer wieder die Perspektive wechseln. Eine Zeit lang sind wir präsent und verbunden mit uns selbst, und dann wieder nehmen wir die Position eines Beobachters von außen ein.
Wozu soll das gut sein?
Wenn wir nur in der persönlichen Betroffenheit bleiben, besteht die Gefahr, uns zu sehr mit unserem Körper, unseren Gedanken und Gefühlen zu identifizieren.
Wenn wir dagegen nur in der Beobachterrolle sind, wie es viele buddhistische Techniken vorschlagen, dissoziieren wir unter Umständen zu stark. Das heißt, wir spalten die Empfindungen ab und gehen zu sehr in Distanz zu unserem Menschsein. Daher ist aus meiner Sicht ein Wechseln zwischen beiden Perspektiven optimal.
2. Erforschen
Jetzt gehen wir tiefer und schauen, was denn eigentlich hinter dem Gefühl liegt. Die Emotion, die durch einen bestimmten Auslöser angetriggert wird, ist sehr oberflächlich. Es ist ja eine meist automatisch ablaufende Reaktion, die von unseren unbewussten Überzeugungen und Programmen geprägt ist.
Viel interessanter ist die Frage, was „unter Hempels Sofa“ los ist.
Das „Thema dahinter“ hat fast immer mit Ängsten zu tun, z.B. mit der Angst, nicht geliebt zu werden, der Angst, abgelehnt zu werden, der Angst, nicht bedeutsam zu sein, der Angst, nicht genug zu bekommen, der Angst, etwas zu verpassen, der Angst, allein zu sein, etc.
An dieses tiefere Gefühl kommen wir nur heran, wenn wir unser Herz für uns selbst öffnen und bereit sind, in die Verletzlichkeit und Weichheit zu gehen. In den Bereich, den wir normalerweise durch die altbekannte Aggression, Ängstlichkeit oder Ohnmacht schützen.
Alles was sich hier zeigt, durchfluten wir mit Mitgefühl.
Emotionale Freiheit erfordert, dass wir uns vom Konzept der Schuld gänzlich verabschieden.
So machen wir uns bewusst, dass wir nicht „schuld“ sind, sondern dass wir einfach viele uralte Prägungen in uns haben, die uns unbewusst steuern. Indem wir diese anschauen und annehmen, können sie heilen.
Dann erforschen wir, welches Bedürfnis hier in Wahrheit erfüllt oder befriedigt werden möchte. Das kann z.B. das Bedürfnis nach Gehaltenwerden und Sicherheit, nach Liebe, nach Verbundenheit oder Anerkennung, usw., sein.
Auch diese Sehnsucht hüllen wir in unser Mitgefühl.
Wir machen uns bewusst, dass es nicht unsere ausschließliche Angst oder unser alleiniges Bedürfnis ist, sondern dass uns das mit allen Menschen verbindet. Auf einer tiefen Seinsebene erleben wir alle dieselbe Einsamkeit und denselben Schmerz. Hier haben wir alle dieselben Urängste und unerfüllten Sehnsüchte.
Diese Erkenntnis macht es oft viel leichter, mitfühlend mit uns selbst zu sein! Du bist nicht allein mit deinem Gefühl und deinem Schmerz!
3.Integrieren
Bei diesem Schritt geht es darum, all das, wogegen wir im Kampf und im Widerstand sind (unsere Gefühle wie Wut, Ohnmacht, Angst, Hass, Minderwertigkeit, etc., sowie unsere tieferliegenden Ängste und Bedürfnisse) wieder ganz zu uns, in unser Herz, zu nehmen.
In dem Moment, wo wir all dem erlauben, ein Teil von uns zu sein, kann es sich beruhigen und verliert seinen Schrecken.
Indem wir uns selbst tragen, und mitfühlend und liebevoll mit uns sind, wird sich mit der Zeit ein Gefühl von „Ich bin gut und richtig, so wie ich bin“, einstellen. Wir halten für uns selbst den Raum, damit sich alles in Liebe neu ordnen kann.
Wir dürfen uns immer wieder erinnern:
An dem Ort, an dem unsere Verletzung sitzt, kann auch das Licht wieder in uns eindringen. Wenn wir die verletzliche und weiche Seite unseres Menschseins ständig zudeckeln, werden wir unnahbar, kalt und hart. Damit schneiden wir uns selbst vom Leben und von der Liebe ab!
4. Neu ausrichten
Wenn wir es schaffen, uns selbst liebevoll anzunehmen, und sowohl unser Licht als auch unsere (vermeintlichen) Schwächen und Bedürfnisse da sein zu lassen, entstehen Weite und Ausdehnung. Ein unendlicher Raum für Kreativität und ungeahnte Möglichkeiten.
Das ist das Geheimnis des Loslassens!
Indem wir „aufmachen“, ergeben sich ganz neue Wege und Lösungsstrategien. Wir können uns beim nächsten Mal, wenn das belastende Gefühl wieder auftaucht, bewusst machen, dass wir eine Wahl haben, wie wir reagieren möchten. Und: wir dürfen uns daran erinnern, in die Verletzlichkeit und ins Mitgefühl zu gehen.
Statt wild um uns zu beißen wie ein verletzter Wolf, und die Situation oder den Menschen anzugreifen, der den alten Schmerz in uns angerührt hat, erkennen wir, dass es immer um uns und unsere Heilung geht.
Zum Abschluss können wir uns fragen: Wie kann ich in Zukunft in einer ähnlichen Situation aus der Weichheit und Weisheit meines Herzens agieren? Schau dir die Bilder, die aus deiner Mitte auftauchen, an, und spüre zu welch einem Reichtum an Möglichkeiten du Zugriff hast.
An dieser Stelle wieder meine „all-time-favourite-Ermahnung“: Selfcompassion first – Selbstmitgefühl an erster Stelle!
Dieses 4-Schritte-Protokoll wird dich nicht nach einem Durchgang für alle Zeit in die emotionale Freiheit katapultieren. Es ist ein fortwährender Prozess der Achtsamkeit und Selbsterforschung. Also sei mitfühlend mit dir selbst, wenn du mal wieder in deinen altbekannten Emotionen und Mustern stecken bleibst oder dich im Drama verlierst.
Komm einfach immer wieder zu dieser einfachen Methode zurück. Mit der Zeit wirst du dich zusehends freier und leichter fühlen.
Du bist nicht allein!
Wenn du Begleitung durch diesen Prozess brauchst, bin ich selbstverständlich jederzeit gern für dich da! Nimm einfach Kontakt mit mir auf, und wir finden einen Termin für eine Zusammenarbeit – in der Praxis oder online.
Emotionale Freiheit kannst du auch in meinem Onlinekurs „Frei sein!“ lernen. Hier lösen wir in acht Etappen eine Zwiebelschale nach der anderen, um unsere Vergangenheit loszulassen, mit unseren Gedanken und Gefühlen in Frieden zu kommen, und eine neue, liebevolle Sicht auf uns und das Leben zu gewinnen.
Danke, dass du diesen sehr langen Artikel gelesen hast! 😉
Ich freue mich, dass du hier bist!
In herzlicher Verbundenheit,
Christine
Welche Gefühle bereiten dir manchmal Probleme? Hast du das W.E.I.N.-Protokoll ausprobiert und möchtest mir und den anderen Lesern von deinen Erfahrungen berichten? Ich freue mich sehr über deinen Kommentar!
[Bildnachweis: Beitragsbild: Myriams Fotos auf Pixabay; Beziehungsstreit: Vera Arsic von Pexels; Tränen: Liza Summer von Pexels; Feder: Sponchia auf Pixabay. Herzlichen Dank! Zum „W.E.I.N.-Protokoll“ hat mich die amerikanische Psychologin und Lehrerin für buddhistische Meditation, Tara Brach, mit ihrer RAIN-Praxis inspiriert. Vielen Dank, liebe Tara, für dein wundervolles Wirken!]